Fortführung
des VISAL-Projekts und mehr – eine lange Erfolgsgeschichte.

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Unseren regelmäßigen Lesern dieses Newsletters ist das EU-finanzierte VISAL (aktives Lernen für blinde und sehbehinderte Senioren) sicher ein Begriff, das von der Europäischen Blindenunion unter Mitwirkung von sechs Partnern entwickelt und durchgeführt wurde. Ziel des Projekts war es, einen Kurs zu erarbeiten, der sich insbesondere an diejenigen richtet, die mit blinden und sehbehinderten Senioren arbeiten, damit diese aktiver werden und mehr Selbstvertrauen erlangen. Offiziell lief das Projekt von 2012 bis 2014. Es war jedoch so erfolgreich, dass es auch heute noch großen Einfluss hat. Der folgende Artikel bietet dafür einige Beispiele. Drei Länder (Ungarn, Portugal und Italien) haben VISAL-Kurse durchgeführt, die auf Kursen beruhten, die im Laufe des Projekts entwickelt wurden. Diese Kurse sollten Menschen, die bei ihrer Arbeit eng mit blinden und sehbehinderten Senioren in Kontakt stehen, dabei helfen, ihre aktive Rolle innerhalb der Gesellschaft wiederzuerlangen. Der Bericht aus Italien spiegelt die Sicht eines älteren VISAL-Workshopleiters wider, der seine besonderen Einsichten und Erfahrungen schildert.

In Österreich, das eines der am ursprünglichen VISAL-Projekt beteiligten Länder war, wird bald ein neues, durch VISAL angeregtes Projekt starten. Es trägt den Titel ILIAS – Inklusion und Lernen im hohen Alter für Senioren mit und ohne Sehbehinderungen.

Auch freut es uns sehr, dass eine Expertengruppe der Generaldirektion für Bildung und Kultur der Europäischen Kommission VISAL zur "Erfolgsgeschichte" gewählt hat. Diese Kennzeichnung kam dem Projekt auch bei der Ergebnisplattform zum Erasmus+ Projekt zu. Das bedeutet, dass das Projekt auf Webseiten der GD Bildung und Kultur sowie in sozialen Medien und Dokumenten für Konferenzen oder weitere wichtige Veranstaltungen präsent ist und Anerkennung findet, wo hochrangige Teilnehmer zu erwarten sind. Für das Projekt sind das tolle Neuigkeiten und es freut alle Partner sehr.

Diese Entwicklungen zeigen den Langzeitnutzen eines Projekts, das Ergebnisse bietet, die man einfach miteinander austauschen kann. Die EBU freut sich sehr, diese Informationen weiterzugeben und andere dabei zu ermutigen, einen VISAL-Kurs in ihrem Land anzupassen.

VISAL-Kurse in drei Ländern

Ungarn

Die sieben Einheiten des ersten VISAL-Kurses in Ungarn, der vom Ungarischen Blinden- und Sehbehindertenverband (MVGYOSZ) durchgeführt wurde, fanden im November 2015 statt.

Der Workshopleiter, der die ersten Interviews durchführte, empfing die Bewerber und koordinierte die Gruppen. Es gab 8 Bewerber, von denen alle den Kurs absolvierten.

Die Vorabinterviews und die 7 Workshopeinheiten waren für die Dauer von 6 Tagen geplant. Da einige Teilnehmer außerhalb auf dem Land lebten und Schwierigkeiten mit der Anreise hatten, gab es an zwei Tagen Einheiten morgens und nachmittags. Der sechste Kurstag wurde verschoben, sodass man eine Hilfsmittelausstellung besuchen konnte, die am gleichen Veranstaltungsort stattfand (Hauptsitz von MVGYOSZ).

Folgende Anmerkungen gab es in der zusammenfassenden Evaluierung von Feedback durch die Teilnehmer:

- Informationen über Möglichkeiten für blinde und sehbehinderte Menschen fanden sie sehr hilfreich (besondere Hilfsmittel, Rehabilitation, usw.).

- Sie betonten, dass ihnen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe sehr wichtig war, die ihre Schwierigkeiten versteht und akzeptiert.

- Auch bedeutete es ihnen sehr viel, dass sie einander bei der Verbesserung ihrer Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeiten helfen konnten.

- Dadurch, dass sie andere Menschen mit ähnlichen Problemen wie sie selbst kennengelernt haben, sind sie offener und motivierter geworden.

- Bei der 7. Kurseinheit soll aber noch lange nicht Schluss sein, sie möchten auch darüber hinaus als Selbsthilfegruppe zusammenarbeiten.

Basierend auf diesem Feedback befanden wir den VISAL-Kurs für sehr nützlich und wir wollen mehr Kurse organisieren. Weitere VISAL-Treffen sind jedoch auf lokaler Ebene für blinde und sehbehinderte Menschen auf dem Land geplant, sodass sie auch den Kurs ohne die zusätzliche Schwierigkeit, in die Hauptstadt reisen zu müssen besuchen können.

Portugal

Die VISAL-Workshops in Portugal wurden in Lissabon an speziell dafür geschaffenen Einrichtungen zum Erwerb sozialer/persönlicher Fähigkeiten und zur funktionellen Rehabilitation blinder und sehbehinderter Menschen von ACAPO durchgeführt.

An 4 Tagen fanden Workshops mit einer Dauer von 3 Stunden pro Tag statt. Sie wurden jeweils am 7., 14., 21. und 28. Januar zwischen 10:00 Uhr morgens und 17:00 Uhr durchgeführt. ACAPO stellte sowohl den Transport zu den Veranstaltungen als auch Verpflegung für alle Teilnehmer zur Verfügung.

Neun ältere sehbehinderte Menschen im Alter zwischen 60 und 78 Jahren nahmen an den Workshops teil, da sie die Projektanforderungen erfüllten.

Die Wahl des Veranstaltungsorts liegt in dessen Charakter begründet. Er ist einem echten zu Hause nachempfunden, das in einer warmen, privaten Atmosphäre gehalten ist und in Bezug auf die Interaktion der Teilnehmer ausreichend Möglichkeiten bietet, aufeinander einzugehen.

Die Kurse fanden in einer ungezwungenen, positiven Umgebung statt, und die erworbenen Fähigkeiten, die ein Leben lang angewandt werden können, wurden im Hinblick auf ihre Wichtigkeit geprüft. Der Erfahrungsaustausch und die gemeinsame Suche nach Lösungen zusammen mit Informationen über Unterstützung und Hilfsmittel, die zu mehr Unabhängigkeit und Selbständigkeit verhelfen, motivierten die Gruppe und förderten die aktive Teilhabe aller Betroffenen.

Die Auswertung der Workshops war sehr positiv. Dadurch, dass die Teilnehmer sich nie zuvor begegnet waren, wurde die Fähigkeit des sozialen Netzwerkens stark verbessert. Die Gruppe wird jetzt auf eigenen Wunsch monatlich zusammenkommen.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass sowohl laut der Leiterin als auch der Koordinatorin (Anabela Miranda und Graça Gerardo) die Workshops alle Erwartungen übertroffen haben, und die Erfahrung war sehr befriedigend und eine Bereicherung für alle Projektbeteiligten.

Italien

Bericht über den VISAL-Kurs aus Italien, von Cesare Barca, selbst älterer VISAL-Leiter mit einer Sehbehinderung.

Der in Italien durchgeführte VISAL-Kurs fand in Verona am dortigen Sitz des Italienischen Blinden- und Sehbehindertenverbands statt. Die Kursergebnisse waren sowohl für die Organisatoren als auch die Teilnehmer äußerst zufriedenstellend. Der Leiter Cesare Barca und Koordinatorin Elena Ginelli erarbeiteten einen Kurs bestehend aus sieben Einheiten (vom 11. November bis 1. Dezember, jeweils Dienstags und Freitags ab 9:30 Uhr), und es nahmen acht stark sehbehinderte Senioren aus unterschiedlichen sozialen Schichten und mit den verschiedensten Lebenssituationen teil.

Die Teilnehmer saßen im Kreis in einem Großen, einladenden Raum, der eine direkte und klare Kommunikation und ein gutes Miteinander ermöglichte. Sie beschrieben die Probleme, die sich für alle aus einer Depression und dem Mangel an Aktivitäten ergaben. Daher lud der Leiter alle Teilnehmer während der Einheiten dazu ein, persönliche Probleme anzusprechen, wodurch manche ihre eigenen Selbstschutzmechanismen aufgaben. Die angst vor Blindheit und ihren neuen Lebensumständen, Selbstmordgedanken und das Gefühl, wertlos zu sein, ein Gefühl des Verlassenseins und Selbstisolation, das Problem, selbst einfachste Tätigkeiten im Haushalt nicht durchführen zu können insbesondere in der Küche und die unvermeidliche Nutzung von Essen aus der Dose verursachten einen Verlust ihrer Fähigkeiten und ließen sie depressiv werden.

So wurden die Teilnehmer schließlich an technische Hilfsmittel herangeführt, durch die sie ihre Unabhängigkeit wiedererlangen können. Es gab zudem die Möglichkeit, einander kennenzulernen, und es wurden Beispiele zur Bekämpfung von Einsamkeit vorgestellt. So gibt es den monatlich erscheinenden “Senior” im MP3-Format, den virtuellen Telefonkonferenzraum des UICI namens "Sprich, ein Freund hört dir zu ", den Cesare Barca seit 3 Jahren betreibt sowie das Urlaubszentrum in Tirrenia, das extra für Menschen mit Sehbehinderungen ausgelegt ist. Die Teilnehmer wurden in die Bedeutung von Anfassen und Orientierung (Wahrnehmen von Hindernissen und Klängen) sowie weitere Fähigkeiten eingeführt. Außerdem bekamen sie Informationen über Sozialleistungen wie etwa Listen von Hilfsmitteln, die Blinde und Sehbehinderte kostenlos bekommen können, um ihre Unabhängigkeit zu steigern.

Insgesamt hat der Kurs sein Ziel erreicht, Menschen zu mehr Unabhängigkeit und Selbstvertrauen zu verhelfen. Wir betonten die Wichtigkeit, jeden Tag voll auszuleben, um schrittweise Selbstvertrauen, Heiterkeit und Unabhängigkeit wiederzuerlangen. Auch wiesen wir darauf hin, dass Familien diesen Prozess begreifen und unterstützen sollten. Man soll Dinge immer wieder versuchen, denn auch aus Fehlern lernt man und passt sich langsam aber sicher an seine neuen Lebensumstände an. Nichts ist eben einfach, aber andererseits ist nichts unmöglich. Geduld ist hier eine wichtige Stärke. Der Kurs konzentrierte sich auf Sehbehinderung, da die Lebensumstände, in denen diese Menschen sich befinden, extrem schwierig sind. Nach einem "normalen" Leben sehen sich viele Menschen plötzlich und ohne Vorwarnung mit einer neuen Situation konfrontiert und sich selbst als Belastung für ihre Familie.

Der Vollständige oder teilweise Sehverlust spricht einem Menschen nicht die Existenz ab, stellt jedoch eine Veränderung dar und verlangt, dass wir die neue Lebenssituation akzeptieren. Familienmitglieder sollten daher die Situation der geliebten Menschen verstehen und akzeptieren und Überbehütung vermeiden, durch die sie daran gehindert werden, ihre alten Gewohnheiten wieder aufzunehmen und weiter ihren alltäglichen Aktivitäten nachzugehen. Stattdessen sollten wir demjenigen, der einen Sinn einbüßen musste, die Möglichkeit geben, Fehler zu machen und sich zunächst falsch zu verhalten, usw. Zu viel Aufmerksamkeit und Überbehütung versklaven sprichwörtlich sowohl von Sinneseinschränkungen Betroffene als auch Familienmitglieder, die sich aufgrund der Gesamtsituation schlecht fühlen und die sie irrtümlicherweise als endgültig ansehen.

Aus den oben genannten Gründen wurden nützliche Gegenmaßnahmen und Tipps bei jedem Treffen bereitgestellt, damit diese im Alltag Anwendung finden können, und Familienangehörige und Verwandte wurden zur Mitarbeit gebeten. Mitarbeit ist ein sehr effizientes Werkzeug, insbesondere, wenn es mit Kommunikation, Erfahrungs- und Gefühlsaustausch einhergeht. Alle Teilnehmer fühlten sich in unterschiedlichem Maße ermutigt, ihren Weg hin zur Wiedereingliederung in ihre Familie und Gesellschaft zu gehen, aus der sie sich komplett ausgeschlossen fühlten. Alle Teilnehmer baten um die Durchführung weiterer Bildungseinheiten und Treffen zu ihrer Unterstützung.

Österreichisches Folgeprojekt zu VISAL bewilligt!

Das österreichische Projekt ILIAS – Inklusion und Lernen im hohen Alter für Senioren mit und ohne Sehbehinderung – ist das erste Projekt, das auf den Ergebnissen und Erfahrungen von VISAL aufbaut. Es wird durch das Österreichische Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz finanziell unterstützt.

Das in Wien ansässige Projekt, dessen dauer auf zwei Jahre festgesetzt ist, begann im Oktober 2015 und wird unter der Leitung des Blinden- und Sehbehindertenverbands Österreich (BSVÖ) durchgeführt. Die allgemeine Idee von VISAL dient hier als Ausgangspunkt, das Projekt soll jedoch im Sinne von mehr Inklusion durchgeführt werden. 3 Teams aus sehenden und sehbehinderten Senioren sollen zu Gruppenleitern für gleichgesinnte Betroffene ausgebildet werden. In 7 Einheiten lernen sie die nötigen didaktischen und kommunikativen Fähigkeiten, um ihre eigenen ILIAS-Kurse für Gleichgesinnte zu entwickeln, zu organisieren und zu leiten. So wollen wir gewährleisten, dass sehbehinderte Senioren de facto Teil ihrer Gemeinschaft sind, da sie nicht nur mit anderen sehbehinderten Senioren, sondern auch mit ihren sehenden Kollegen in Kontakt stehen.

Der BSVÖ wird mit Österreichs größter Organisation für Senioren, dem Pensionistenverband Österreich (PVÖ) sowie dem größten Heim für sehbehinderte Senioren, der Österreichischen Blindenwohlfahrt (ÖBW), zusammenarbeiten, wodurch so viele Menschen wie möglich im Alter von 60+ in Wien und dem Rest des Landes erreicht werden sollen.

Die erste Projektphase umfasst die Erstellung eines Leitfadens zum Training von ILIAS-Teams sowie zur Durchführung der 7 Trainingseinheiten. In der zweiten Phase planen und entwickeln die Teams ihre eigenen Kurse und beginnen mit der teilnehmersuche. In der letzten Phase soll jedes Team mindestens einen aus sieben Einheiten bestehenden ILIAS-Kurs durchführen, an den sich eine Abschlusskonferenz und eine Evaluierungsphase anschließen.

Stefanie Steinbauer, Beauftragte für internationale Zusammenarbeit, BSVÖ

Weitere Informationen über das Projekt erhalten Sie unter international@blindenverband.at

Weitere Informationen gibt es in Kürze auch auf www.blindenverband.at