Audiodeskription beschreiben

Blinde und Sehbehinderte sehen fern und nutzen dazu eine Reihe audiovisueller Mediendienste wie jeder andere auch. Damit sie dies aber tun können, muss für diese Dienste u. a. Audiodeskription zur Verfügung stehen. Sie werden sich sicher Fragen, was denn eigentlich Audiodeskription ist? Einfach ausgedrückt handelt es sich dabei um eine gesprochene Beschreibung visueller Handlungen. Es ist eine extra Erzählspur, die unter den Originalton gemischt wird. In den Lücken zwischen bestehenden Dialogen und Soundeffekten beschreibt jemand wichtige visuelle Handlungen, die auf dem Bildschirm stattfinden. Die Beschreibung kann auch etwas detaillierter sein, was dann als erweiterte Audiodeskription bezeichnet wird. Diese ist ähnlich, bedeutet aber, detailliertere Beschreibungen gegeben werden können. Manchmal sind die Pausen zwischen den Dialogen und Soundeffekten jedoch nicht lang genug, um zu beschreiben, was gerade auf dem Bildschirm passiert. Bei erweiterter Audiodeskription wird das Video angehalten, damit eine detailliertere Beschreibung gegeben werden kann. Ist die Beschreibung beendet, wird das Video fortgesetzt.

Blinde und Sehbehinderte profitieren am meisten von einer Deskription. Ein gut beschriebener Soundtrack enthält Beschreibungen von Charakteren, Szenenwechseln und Bildschirmtext. Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen könnte diese Information auch dabei helfen, visuelle Inhalte leichter zu Verarbeiten. Wenn sie als Sehender eine Vorstellung davon bekommen möchten, warum dies wichtig ist, schließen sie das nächste Mal beim Fernsehen für eine Weile die Augen. Versuchen Sie zu verfolgen, wer gerade spricht und was passiert. Das bietet Audiodeskription.

Audiodeskription kann auch dahingehend erweitert werden, dass sie Livekommentare bei Sportveranstaltungen einschließt. In Großbritannien können Kricketzuschauer auf dem Lord's Cricket Ground jeden Ball, der geworfen wird und jeden Schlag über die Begrenzung, der einen Punkt erzielt verfolgen, nämlich mit dem Ball für Ball Kommentar auf dem Platz. Beim Fußball hat die UEFA kürzlich einen Audiodeskriptionskommentar (ADK) für blinde und sehbehinderte Fans bei der UEFA EURO 2016 eingeführt, durch den ein Vermächtnis in Bezug auf Barrierefreiheit beim Fußball hinterlassen werden soll. Über die gesamte UEFA EURO 2016 konnten Fans entweder ihr eigenes Radio nutzen, um sich auf die FM-Frequenzen aufzuschalten, oder einen EURO-Freiwilligen im Stadion bitten, ihnen ein zu diesem Anlass speziell angefertigtes Headset zu leihen können. Ähnlich hat auch der Französische Blinden- und Sehbehindertenverband (FAF) viele Kommentatoren geschult, Livekommentare bei Spielen der Euro 2016 Fußball-EM zu bieten, die in Frankreich stattfand.

Spricht man von Audiodeskription, ist damit jedoch die Nutzung von Technologien gemeint, die es blinden und sehbehinderten Nutzern ermöglicht, denselben Zugang zu audiovisuellen Inhalten zu haben wie ihre sehenden Mitmenschen. Einen Überblick darüber, was es in Großbritannien diesbezüglich gibt, bietet die RNIB-Website, und innovative Dienste wie eine Audiodeskriptions-App ermöglichen es den Nutzern, Audiodeskriptionsspuren auf ihr Smartphone oder Tablet herunterzuladen. Dies wurde getestet und ist auch Funktionsfähig.

Schauen wir uns nun  - im übertragenen Sinne - den aktuellen Spielstand an.

Vor einigen Jahren führte die EBU Beweise und Kommentare ins Feld, und informierte so die Legislative, die die sogenannte AVMS-Richtlinie (Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste) erarbeitete. Leider enthielt die AVMS-Richtlinie einen “weichen”, nichtbindenden Wortlaut, der besagte, dass: “Die Mitgliedstaaten Mediendienstleister, die sich innerhalb ihrer Rechtsprechung befinden, dazu anhalten sollen, zu gewährleisten, dass ihre Dienste schrittweise für Menschen mit einer Seh- oder Hörbehinderung zugänglich gemacht werden sollen”. Die EBU war damals davon überzeugt, dieser Wortlaut sei zu schwach, um maßgebliche Verbesserungen in Bezug auf den Zugang audiovisueller Mediendienste zu erreichen, was sich auch als richtig erwiesen hatte. In Großbritannien beispielsweise wurden verbindliche Gesetze eingeführt, was viel mehr Audiodeskription und Untertitel als in denjenigen EU-Mitgliedsstaaten zur Folge hatte, die nicht über solche Gesetze verfügen. Dies trotz der Tatsache, wie wir betonen möchten, dass die EU und beinahe alle ihre Mitgliedsstaaten die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert haben. Den Zugang zu Fernseh- und On-Demand-Angeboten zu verweigern, bedeutet eine Diskriminierung nach Art. 30 eben dieser Konvention. (http://stakeholders.ofcom.org.uk/broadcasting/broadcast-codes/tv-access-services/code-tv-access-services-2015/ )

Auch ist Audiodeskription, entgegen dem weitverbreiteten Irrglauben, nicht teuer. Die Kosten, eine Sendung barrierefrei zu Machen (wie etwa das Hinzufügen von Audiodeskription oder Untertiteln) gibt es zwar, sie sind jedoch oft vergleichsweise gering. Die Verpflichtung, dies für alle wichtigen Sender in Großbritannien umzusetzen, gipfelte für sie nicht in einer Katastrophe. Es führte zu viel mehr Audiodeskription und Untertiteln.

Die eigene Einschätzung der Kommission hinsichtlich Zugang von Fernsehübertragungen, die sie für eine Revision der AVMS-Richtlinie durchgeführt hat, bezieht sowohl die Verfügbarkeit als auch die Kosten solcher Dienste ein:

"Die Verfügbarkeit von Diensten zur Barrierefreiheit für Blinde und Sehbehinderte ist viel niedriger" (als für Untertitel). "Der Anteil am Ausstrahlungsvolumen von Sendungen mit Audiodeskription liegt durchschnittlich zwischen 4 % und 11 %. Einige Mitgliedsstaaten wie die Niederlande und Finnland bieten gar keine Audiodeskription an, während andere Mitgliedsstaaten wie die Slowakei (von 7 bis 10 % der insgesamt ausgestrahlten Sendungen) und Großbritannien (15 bis 24 %) über Audiodeskription verfügen."

"Auf Mitgliedsstaatenebene haben nationale Gesetze zu unterschiedlichen Einhaltungskosten geführt. Bei TV-Ausstrahlungen liegen die jährlichen Kosten der Bereitstellung barrierefreier audiovisueller Dienste bei weniger als 0,1 % des Umsatzes größerer Rundfunkanstalten. Die zusätzlichen Produktionskosten von Untertiteln machen dagegen für größere Fernsehsender weniger als 1 % des Produktionsbudgets der eigentlichen Sendung aus."

Wir brauchen ein Gesetz, mit dessen Hilfe wir auf Augenhöhe sind und bei dem kein Betreiber einen Wettbewerbsnachteil hat. Bei "Nischen"-Anstalten können die Bereitstellungskosten barrierefreier Dienste bei 25-30 % liegen. Per Gesetz können diese Nischenbetreiber also nicht zur Bereitstellung solcher Dienste verpflichtet werden, das wäre aber keine Entschuldigung für die großen Sendeanstalten, Barrierefreiheit nicht bereitzustellen.

2015 hat die EBU ihre Antwort auf die Konsultation der EU-Kommission zu audiovisuellen Mediendiensten (AVMSD) “ein Medienrahmen für das 21. Jahrhundert” veröffentlicht, um eine Situation richtigzustellen, nach der in vielen EU-Mitgliedsstaaten der Grad an “Diensten zur Barrierefreiheit” wie Audiodeskription und untertitel viel zu niedrig ist. Menschen mit einer Hör- oder Sehbehinderung werden aus vielen Teilen audiovisueller Inhalte faktisch ausgeschlossen, die andere genießen können. Als Teil dieser Antwort führte die EBU Beispiele der derzeitigen Lage in den EU-Mitgliedsstaaten an. Denjenigen, die verschiedene länderspezifische Details benötigen, legen wir nahe, sich das Dokument sowie die Seite eaccessplus.eu näher anzusehen. Audiodeskription in Europa.

Was muss getan werden? Was können EBU-Mitglieder tun?

Am 25. Mai hat die Europäische Kommission ihre vorgeschlagene Revision der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMS) veröffentlicht und will die Richtlinien zu Barrierefreiheit aus Art. 7 streichen.

Der Grund der Kommission, Art. 7 streichen zu wollen, ist, dass das Europäische Barrierefreiheitsgesetz stärkere Anforderungen in Bezug auf Barrierefreiheit bieten wird als die AVMS-Richtlinie dies getan hat. Also besteht kein Grund, dass Art. 7 in der AVMS-Richtlinie verbleibt.

Das Problem der EBU dabei ist, dass wir trotz der Schwäche von Art. 7 keine Referenz zu Barrierefreien Mediendiensten in der EU-Gesetzgebung hätten, und das bis irgendwann in der Zukunft, oder vielleicht nie, bis dann irgendwann einmal das EAA Gesetz wird. Mehr noch, der Kulturausschuss des EU-Parlaments hat Anfang Mai eine Meinung veröffentlicht, in der er vorschlägt, audiovisuelle Dienste aus dem Wirkungsrahmen des EAA auszuschließen, was bedeutet, dass die AVMD nirgends in der EU-Gesetzgebung auftauchen würden. Wir brauchen einen stärkeren Art. 7 in der überarbeiteten Richtlinie und müssen sicherstellen, dass audiovisuelle Mediendienste im Wirkungsrahmen des EAA verbleiben. Das langersehnte und oft geforderte Europäische Barrierefreiheitsgesetz würde sektorspezifische Anforderungen an Barrierefreiheit in der EU-Gesetzgebung ergänzen, und diese nicht ausschließen, wie etwa diejenigen in der AVMS-Richtlinie. Es bringt Klarheit darüber, was “Barrierefreiheit” bedeutet, und das mit solcher Detailschärfe, die man nicht von der AVMS-Richtlinie erwarten kann. Auch hat es einen weiteren Wirkungsradius. So könnte es sowohl die Barrierefreiheit von Fernsehübertragungen als auch die Barrierefreiheit von AVMD-Geräten mit dem selben Grad an Anforderungen an Barrierefreiheit abdecken. So schafft es klare, einzigartige Anforderungen und verhindert eine Fragmentierung und Verwirrung.

Die EBU ruft die Europäische Kommission dazu auf, einen effektiven Mechanismus auszuarbeiten, um die Umsetzung zukünftiger Richtlinien zur Barrierefreiheit zu überwachen, die Zusammenarbeit zwischen nationalen Regierungen und Medienanbietern zu vereinfachen und Nutzerorganisationen einzubeziehen, einschließlich Organisationen, die Menschen mit Behinderungen vertreten.

Die EBU wird alle Entwicklungen auf diesem Gebiet wachsam verfolgen und ermutigt ihre Mitglieder, bei den eigenen Regierungen Lobbyarbeit zu leisten, damit sie eine verbindliche Gesetzgebung erlassen, da die EU, , wenn unsere Wünsche wahr werden, Brexit hin oder her, sie letzten Endes sowieso dazu verpflichten wird.

Lesenswertes - Weitere nützliche Links

Adlab, ein EU-finanziertes Projekt zu Audiodeskription (AD) mit dem Ziel, HEI-Kurse zur Ausbildung von AD-Spezialisten zu finanzieren sowie zuverlässige und konsequente Richtlinien in der Praxis von AD auszuarbeiten.
http://www.adlabproject.eu/

Infoseite zur oben erwähnten AD-App
http://www.rnib.org.uk/information-everyday-living-home-and-leisure-television-radio-and-film/audio-description-app

Léonie Watsons Blog mit detaillierten Informationen zu AD
http://www.nomensa.com/blog/2010/what-is-audio-description/

Für französischsprachige Leser hat der Conseil Supérieur de l'audiovisuel eine Seite, auf der vermerkt ist, welche AD-Angebote französischen Zuschauern bereits zur Verfügung stehen und welche es geben sollte

http://www.csa.fr/Television/Le-suivi-des-programmes/L-accessibilite-des-programmes/Pour-les-personnes-aveugles-ou-malvoyantes-l-audiodescription