Schweiz – Der Tag des weißen Stockes 2016

Aufruf für ein unterbrechungsfreies Leitsystem

Am 15. Oktober versammelten sich über 400 Blinde und Sehbehinderte aus der ganzen Schweiz mit ihren Begleitern auf dem Bundesplatz in Bern, um den internationalen Tag des weißen Stockes zu feiern. Mit folgender Botschaft wollten sie die Bevölkerung auf ihre Belange aufmerksam machen: “Haltet die Leitstreifen frei!”

Indem sie diese Forderung stellten, brachten die unterschiedlichen Sektionen des Schweizerischen Blinden- und Sehbehindertenverbands (SBV) ihre Bedenken gegenüber der schweizerischen Bevölkerung am Tag des Weißen Stockes 2016 zum Ausdruck. Die weißen Linien, die sich auf dem Boden an Bahnhöfen, Bushaltestellen und auf Bürgersteigen befinden, helfen Blinden und Sehbehinderten taktil und visuell dabei, sich zurechtzufinden, und gewährleisten somit ihre unabhängige Mobilität. Jegliche Behinderungen dieser Leitlinien durch Objekte, Menschen oder Fahrzeuge bedeuten daher eine schwerwiegende Beeinträchtigung blinder und sehbehinderter Menschen in Bezug auf ihre Unabhängigkeit.

Erstmalig in der über 100jährigen Geschichte des Verbands reisten über 500 Blinde und Sehbehinderte aus sämtlichen Teilen des Landes zum Bundesplatz nach Bern, wo sie und ihre Begleiter durch den Generalsekretär Kannarath Meystre begrüßt wurden.

Kollektive Stärke

Die Idee entstand im Sektionsrat des SBV, dem Verbandsausschuss, in dem die Sektionsvorsitzenden regelmäßig zusammenkommen, ihre Aktionen und Positionen koordinieren und Ideen und Informationen austauschen. Dieses Jahr wurde dem Programm der Sektionen zum Tag des weißen Stockes das Element einer starken gemeinsamen Kampagne hinzugefügt, wodurch die bereits vorhandenen lokalen Aktivitäten, die in den vergangenen Jahren stattgefunden hatten, ergänzt oder ersetzt wurden. Diese beinhalteten Kampagnen auf der Straße und die Sensibilisierung ausgewählter Gruppen.

Für die Menschen in Bern war die Parade so vieler Blinder und Sehbehinderter ein einzigartiges Ereignis. Einige standen wie angewurzelt da, begeistert von einer solchen Menge–nicht nur wegen der vielen weißen Stöcke, sondern wegen der ausgelassenen und freundlichen Stimmung der Besucher. Der gemeinsame Marsch vom Bahnhof zum Bundesplatz war für die Menschen ebenso beeindruckend. Die Besucher mussten die Hauptverkehrsstraße Berns überqueren, wofür Straßenbahnen und Busse kurzzeitig anhielten.

SBV-Präsident Remo Kuonen begrüßte die Teilnehmer und dankte ihnen dafür, dass sie die Strapazen einer Reise nach Bern auf sich genommen hatten, die in einigen Fällen von weither erfolgt war, und dafür, dass sie auf dem Bundesplatz zusammengekommen waren, dem schweizerischen “Symbol der Demokratie”, um ihren konstruktiven Beitrag zur sozialen Entwicklung zu betonen. Um mit seinen Worten zu sprechen: “Der weiße Stock wird durch unsere Gesellschaft heute anerkannt. Als Hilfsmittel ist er zur Gewährleistung der Mobilität blinder und sehbehinderter Menschen im Hinblick auf die stetig wachsende Zahl an Hindernissen an öffentlichen Plätzen unabdingbar.” Roland Studer     , Präsident der Sektion Zürich-Schaffhausen und Präsident des Sektionsrats des SBV betonte anschließend: “Wir sind in Bern und wollen deutlich machen, dass wir ein unterbrechungsfreies taktiles und visuelles Leitsystem fordern, ein System, das uns als blinde und sehbehinderte Menschen unabhängige Mobilität ermöglicht. Wir sind jederzeit bereit, Lösungen zu finden, die für alle Sektionen der Bevölkerung annehmbar sind. Wir scheuen uns jedoch nicht, unsere Rechte, falls nötig, vor Gericht einzufordern.” Die Gastrednerin Marianne Streiff-Feller, Mitglied des Nationalrates des Kantons Bern und der evangelischen Volkspartei, erinnerte die Zuhörer daran, dass die Bundesverfassung allen Schweizer Staatsbürgern – mit und ohne Behinderungen – Gleichheit vor dem Gesetz garantiert.

Hohe Medienpräsenz

Das Programm am Aktionstag beinhaltete zudem viele Präsentationen, wie etwa die der SBV-Sektion Genf, in der auschoreografierte Klänge von weißen Stöcken zu hören waren, die auf den Boden schlagen. Die gewitzte Performens Des Baseler Slampoeten Laurin Buser hingegen beschäftigte sich mit dem Zweck des weißen Stocks. Die Teilnehmer waren Dank einer Roulade, die sich in Form eines weißen Stockes über mehr als vier Meter erstreckte, im Verlauf des Tages gut versorgt. Die “Surfdrummers” aus Thun brachten den Tag des weißen Stockes schließlich zu einem schlagkräftigen Ende.

Die Öffentlichkeit nahm Notiz vom Engagement und der Präsenz der einzelnen SBV-Sektionen, da es außergewöhnlich viele und ausschweifende Berichte in über achtzig Zeitungen und Radiosendern in der ganzen Schweiz gab. Zweifelsohne war ein besonderer Erfolg für den SBV, dass die Veranstaltung in der “Tagesschau” und dem Nachrichtenmagazin “10 vor 10” des Schweizer Fernsehens erwähnt wurde. Wir schließen daraus: Wir kommen wieder!