Mitgliederspecial - Der 70. Jahrestag des Serbischen Blindenverbands

Zweifellos stellt der 14. Juli 1946 für die Geschichte der Blinden und Sehbehinderten in Serbien einen Wendepunkt dar. An jenem Tag wurde in Zemun zunächst der Jugoslawische Blindenverband und unmittelbar darauf dann der Serbische Blindenverband gegründet, der Bestandteil der einzigartigen föderalen Organisation war. Beide Organisationen wurden im Tumult zahlreicher Veränderungen geboren, die durch eine sozialistische Revolution und den kurz zuvor beendeten Krieg ausgelöst wurden. Zu jener Zeit voller Begeisterung glaubten blinde und sehbehinderte und andere Menschen an positive Veränderungen und wollten ihren Beitrag für ein besseres Leben und eine bessere Gesellschaft leisten. Vor allem aber bemühten sie sich, ihre Position unter den neuen Gegebenheiten zu verbessern, indem sie gemeinschaftliche Arbeitsplätze schufen. Die Elite der Blinden und Sehbehinderten und ihrer Kollegen und Freunde, die hauptsächlich aus Kriegsblinden und Schülern sowie Kollegen Veljko Ramadanovićs bestand, ging in weiser Voraussicht davon aus, dass man mehr durch Zusammenarbeit und Solidarität erreichen kann als durch Aktionen einzelner, und dass ein Blindenverband die Interessen dieser Bürger besser schützen würde als einzelne Organisationen und Institutionen für Blinde und Sehbehinderte.

Dennoch sollten wir die wichtige Rolle hervorheben, die das Internat für Blinde und Sehbehinderte sowie dessen Leiter Veljko Ramadanovic bei Ausbildung, sozialer Absicherung und Kultur für Blinde und Sehbehinderte einnahm. Dies traf auch auf andere Bereiche zwischen den zwei Weltkriegen zu, wo es zur Schaffung einer Basis zur Gründung von Organisationen für Blinde und Sehbehinderte in Jugoslawien und Serbien kam. Auch sollten wir die Idee von Veljko Ramadanović und Lujo Lovrić erwähnen, die weit vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden war, nämlich die Gründung eines Vereins für blinde und sehbehinderte Intellektuelle und Unternehmer. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, das diese Idee je verwirklicht wurde.

Die kriegsblinden Soldaten Stevo Uzelac und Milan Lazić wurden jeweils zu Präsidenten des Jugoslawischen und des Serbischen Blindenverbands gewählt. Dies zeigt, dass sie als Teilnehmer am Krieg und der Revolution großen Einfluss hatten. Man ging zudem davon aus, dass sie am Ehesten die erklärten Ziele erreichen würden. Gemäß den damals verabschiedeten Richtlinien, die für die föderale Organisation, Organisationen innerhalb der Republik sowie regionale und lokale Organisationen galten, bestand das Hauptziel darin, für ein besseres Leben zu kämpfen. Dies sollte durch die Arbeit blinder und sehbehinderter Menschen selbst und die Unterstützung der Gesellschaft und nicht etwa in Form von Wohltätigkeit Einzelner erreicht werden. Somit steht dieses Ziel im Einklang mit aktuellen Zielen von Blindenorganisationen und Behindertenorganisationen im Allgemeinen.

In den ersten Jahren (aber auch später) musste der Blindenverband Bedingungen für seine Existenz und eine erfolgreiche Arbeit schaffen. Das hieß beispielsweise, blinde und sehbehinderte Menschen aufzufinden, ein Netzwerk aus lokalen Organisationen zu bilden, Materialbedarf abzudecken sowie Freiwillige und Fachkräfte einzustellen, die in der Lage und dazu bereit waren, unter widrigen Umständen für das Wohl Blinder und Sehbehinderter Menschen zu arbeiten. Gleichzeitig mussten Rehabilitation, allgemeine Ausbildung und berufliche Weiterbildung für Blinde und Sehbehinderte und ihre soziale Absicherung, ihre kulturelle Entwicklung, der Zugang zu Information, sportliche und andere wichtige Aktivitäten gewährleistet werden, um die Position von Einzelpersonen und von Blinden und Sehbehinderten als Gruppe innerhalb der Gesellschaft zu stärken.

Durch diese Arbeit bekam der Verband immer mehr Einfluss und baute sich einen Ruf auf, was zu positiven Veränderungen für Arbeit und Leben Blinder und Sehbehinderter führte. Dank der enthusiastischen und systematisch durchgeführten Arbeit wurden immer mehr Blinde und Sehbehinderte rehabilitiert und nahmen Teil an Allgemeinbildung und Berufsausbildungen, bei denen die Blindenschule in Zemun besonders wichtig war. Es gab nicht nur Blinde und Sehbehinderte an Grundschulen, sondern auch an Sekundarschulen und Universitäten. Einigen von ihnen wurden auch wichtige akademische Titel verliehen. Neben der hoch entwickelten Sonderschulbildung gingen Blinde und Sehbehinderte vermehrt auch auf Regelschulen mit nichtbehinderten Mitschülern, was insbesondere am Einfluss unseres Bildungssystems und der Gesellschaft im Allgemeinen lag.

Man schenkte der Beschäftigung Blinder und Sehbehinderter viel Aufmerksamkeit. So wurden in diesem Bereich wichtige Ergebnisse erzielt. In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg waren Blinde und Sehbehinderte meistens in geschützten Unternehmen angestellt, die der Verband gegründet hatte. Alsbald verlagerte sich die Priorität jedoch auf den offenen Arbeitsmarkt, sodass Blinde und Sehbehinderte überwiegend in nicht spezialisierten Unternehmen und Einrichtungen eine Beschäftigung fanden. Dabei standen zunächst zwei Berufe im Vordergrund, nämlich die des Telefonisten und Physiotherapeuten.

Der Verband entwickelte und Gründete eine Reihe von Bildungs- und Kultureinrichtungen und verbesserte die Ausgangslage Blinder und Sehbehinderter in diesen Bereichen deutlich. Er schuf Druckereien und Bibliotheken für Blinde und Sehbehinderte, und zudem wurden systematisch Punktschrift- und Hörbücher veröffentlicht, wodurch Informationen in barrierefreien Formaten verfügbar wurden. Auch organisierte der Verband zahlreiche kulturelle, künstlerische und andere Aktivitäten zur Unterhaltung. Er entwickelte ein System für Kunst- und Kulturveranstaltungen sowie Sport- und Schachwettbewerbe. Dadurch wurden Blinde und Sehbehinderte dazu ermutigt, verschiedene Formen der Kreativität zu leben.

Mit Genehmigung des Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen bekam der Verband gewisse Rechte und Subventionen, darunter für den Regional- und Stadtverkehr sowie bei der Bereitstellung technischer Hilfsmittel.

Wir können durchaus mit Stolz sagen, dass der Verband großartige Unterstützung und materielle Hilfe für Kinder, Schüler, Studenten, Arbeitslose, blinde und sehbehinderte Senioren, kranke und späterblindete Menschen ... geleistet hat, welche wir auch bis heute leisten. Dabei sei besonders hervorzuheben, dass der Verband eine wichtige - wenn auch nicht immer ideale – Rolle bei der Interessenvertretung Blinder und Sehbehinderter gespielt hat. Er war schon immer die Vertretung für diese Gruppe behinderter Menschen.

Dieses Jahr feiert der Verband seinen 70. Jahrestag mit einem besonderen Programm. Im Rahmen einer feierlichen Zeremonie, die im "Sava"-Zentrum am 12. Oktober 2016 stattfand, wurden sowohl der Jahrestag des Verbands als auch der Tag des weißen Stockes gefeiert. Bei dieser Zeremonie waren Vertreter der Europäischen Blindenunion und Delegationen anderer europäischer Länder zugegen. In diesem Jubiläumsjahr wird der Verband zwei Dokumente herausgeben: den Strategieplan des Verbands für 2017-2020 und die Strategie zur Verbesserung der Position Blinder und Sehbehinderter für denselben Zeitraum. Man sollte auch bedenken, dass die Vorbereitungen der Strategie zur Verbesserung der Lage behinderter Menschen in Serbien in vollem Gange sind, die durch die serbische Regierung verabschiedet werden soll. Im Rahnen der Vorbereitung dieser Dokumente wird der Verband weiterhin auf die dringendsten Probleme Blinder und Sehbehinderter aufmerksam machen. Auch werden wir fordern, dass Maßnahmen, die zu einer echten Verbesserung im Leben blinder und Sehbehinderter beitragen, Vorrang haben sollen.

In Zusammenarbeit mit dem Arbeitsministerium setzen wir außerdem unsere zuvor begonnene Arbeit am Gesetz für Behindertenorganisationen fort. Vertreter nationaler Behindertenorganisationen und des Serbischen Blindenverbands nehmen an diesem Prozess teil. Dieses Gesetz soll zu einer besseren Rolle von Behindertenorganisationen beitragen, insbesondere was die Finanzierung ihrer Arbeit auf nationaler und lokaler Ebene betrifft. Wichtig ist, dass es Unterschiede zwischen den Behindertenorganisationen gibt, nämlich zwischen denjenigen, die Vertretungscharakter haben und denjenigen, bei denen dies nicht der Fall ist. Unser Verband strebt eine möglichst eindeutige Definition von Behindertenorganisationen und den Vertreterorganisationen darunter an, und natürlich auch eine bessere Finanzierung solcher Organisationen auf nationaler und lokaler Ebene. Viele lokale Organisationen innerhalb des Verbands haben gravierende finanzielle Schwierigkeiten. Der Verband selbst steht etwas besser da, weil er nicht von staatlicher Projektfinanzierung abhängig ist. Dieses Jahr fanden innerhalb des Verbands auf allen Ebenen Wahlen statt. Die Wahlversammlung fand am 14. Juni 2016 statt.

Das Gesetz zur Mobilität mit Führhunden, das vergangenes Jahr verabschiedet wurde, ist seit dem 20. September 2015 in Kraft. Es gibt jedoch noch kein Ausbildungszentrum für Führhunde in Serbien, und es gibt auch keine staatliche Finanzierung für Blinde zur Beschaffung von Führhunden. Mobilität mit Führhunden ist in Serbien nicht sehr beliebt, wobei es einige wenige Ausnahmen gibt. Anfang dieses Jahres ermöglichten Ergänzungen zum neuen Antidiskriminierungsgesetz Blinden, Seh- und anderen Behinderten die Nutzung von Unterschriftenstempeln. Dies wurde eingeführt, um die Probleme Blinder und Sehbehinderter im juristischen Bereich zu beheben oder ihnen zumindest Erleichterungen zu verschaffen. Im selben Zeitraum wurde ein neues Gesetz zu Schulbüchern verabschiedet. Auch Wurden weitere Gesetze verabschiedet, die für Blinde, Seh- und andere Behinderte von Bedeutung sind. Diese sollen die Position Behinderter im Bereich Bildung stärken. In der Praxis werden blinde und sehbehinderte Schüler an Spezial- und Regelschulen jedoch mit großen Schwierigkeiten konfrontiert, da sie nicht über Schulbücher in zugänglichen Formaten, technische Hilfsmittel, Lehrmaterial und, im Falle von Inklusion, oft auch nicht über professionelle Unterstützung für Blinde und Sehbehinderte verfügen. Vor Kurzem erhielt der Verband eine großzügige Spende durch die japanische Regierung in Form von 5 Punktschriftdruckern und 19 Braillezeilen. Die fünf Drucker wurden in den größeren Universitätszentren in Serbien installiert. Dies wird dem Verband dabei helfen, mehr Unterstützung für Blinde und Sehbehinderte im Bereich Bildung zu leisten. Wir versuchen, diesen Problemen auch auf anderen Wegen beizukommen, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad. Jedoch verfügen auch wir nicht über die nötigen finanziellen und anderen Mittel. Es gibt viele andere Gesetze, die in unterschiedlichen Bereichen verabschiedet wurden, damit Serbien seine Gesetze mit denjenigen der EU harmonisieren kann. Leider werden die neuen Gesetze nicht immer umgesetzt, sodass der Blindenverband und andere Behindertenorganisationen oft fordern müssen, dass die Regierung bestehende Gesetze einhält. Vielen Blinden und Sehbehinderten fällt es sehr schwer, eine Arbeit zu finden, insbesondere im Rahmen einer Vollzeitanstellung. Dies wird durch schlechte wirtschaftliche Bedingungen, eine hohe Arbeitslosenquote und auch durch die Umstände im Bereich berufliche Weiterbildung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen beeinflusst. Um die Beschäftigungssituation blinder Physiotherapeuten zu verbessern, hat der Serbische Blindenverband zusammen mit seiner lokalen Organisation in Belgrad Massagesalons eingeführt, die relativ gut funktionieren. Trotz der schwerwiegenden wirtschaftlichen Probleme sind Subventionen für Blinde, Sehbehinderte und Menschen mit anderen Behinderungen nicht bedroht. Diese Gruppen erhalten auch weiterhin eine Finanzierung für Assistenzleistungen dritter, die sich etwa auf €220 belaufen. Dabei spielt es für den Erhalt dieser Leistungen keine Rolle, ob sie einer Beschäftigung nachgehen, Rentner oder arbeitslos sind.

Trotz des Gesetzes über Sozialversicherungen erhalten Blinde und Sehbehinderte nicht die vom Gesetz vorgesehenen Dienstleistungen. Diese beinhalten persönliche Assistenz für Kinder und Erwachsene, Haushaltshilfe, lebenspraktische Fähigkeiten, usw. Das Recht auf technische Hilfsmittel, wie es die Gesundheitsfürsorge vorsieht, ist nicht auf die bestmögliche Art geregelt, jedoch besteht ein viel größeres Problem darin dass dieses Recht in der Praxis selten umgesetzt wird. Der Hilfsmittelmarkt für Blinde und Sehbehinderte ist in Serbien unterentwickelt, sodass Hilfsmittel sehr teuer sind. Daher haben Blinde und Sehbehinderte auch Schwierigkeiten, sie zu Erwerben.

Öffentliche Plätze und Nutzflächen sind für die unabhängige Mobilität Blinder und Sehbehinderter angepasst, was jedoch nicht so schnell erfolgt wie erwartet. Es gibt immer mehr barrierefreie Webseiten, die Mehrzahl ist trotz allem noch nicht einmal teilweise oder vollständig barrierefrei. Auch gibt es immer mehr Beschriftungen in Braille, sie bleiben aber noch hinter unseren Bedürfnissen zurück.

Der Verband erstellt unabhängig und innerhalb der nationalen Behindertenorganisation einen Bericht zur Umsetzung der UNBRK in unserem Land.

Dank der Arbeit des Verbands in den vergangenen 70 Jahren haben Blinde und Sehbehinderte in Serbien große Fortschritte erzielt und sind vollständig in der Lage, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.