Die Verordnung über die Rechte von behinderten Menschen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität auf Flugreisen

Von Antoine Fobe, Leiter für Kampagnen der EBU

Die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität (nachfolgend "Verordnung" genannt) wurde im Juli 2006 erlassen und gilt seit dem 26. Juli 2008 (mit Ausnahme von zwei Artikeln, die bereits im Jahr zuvor Gültigkeit hatten).

Ziel und Anwendungsbereich

Ziel der Verordnung ist es, behinderte Menschen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität, die mit dem Flugzeug reisen, vor Diskriminierung zu schützen und sicherzustellen, dass sie die für sie notwendigen Hilfeleistungen erhalten.

Sie schützt jeden Menschen mit einer körperlichen Behinderung (sei diese sensorisch oder motorisch, dauerhaft oder vorübergehend), einer geistigen Behinderung oder Beeinträchtigung oder jedweder Ursache für eine Behinderung oder auch Menschen im Alter, deren Situation angemessene Aufmerksamkeit und die Anpassung des allen Fahrgästen zur Verfügung gestellten Dienstes an ihre besonderen Bedürfnisse erfordert.

Sie gilt für Flughäfen in der EU und gewerbliche Fluggesellschaften bei Flügen mit Abflug, Transit oder Ankunft auf einem Flughafen in der EU.

Grundprinzipien

Fluggäste mit Behinderungen (FmB) sollten bei der Buchung eines Tickets oder beim Einsteigen in ein Flugzeug nicht diskriminiert werden, und sie haben das Recht auf Erhalt der von ihnen benötigten Hilfe ohne zusätzliche Kosten.

Um einen möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, wird die Hilfe für FmB zentral geleistet und obliegt den Flughäfen, und zwar von der Ankunft am Flughafen mit dem von Ihnen gewählten Transportmittel bis zum Verlassen des Ankunftsflughafens und während des Transits. Um Hilfe zu erhalten, sollten Sie Ihren Bedarf mindestens 48 Stunden im Voraus an einer Verkaufsstelle für Flugtickets anmelden. Ihrer Reservierung sollten Sie immer Belege für Ihre Voranmeldung beifügen. Die Voranmeldung ist immer kostenlos, unabhängig davon, wo die Buchung oder die Voranmeldung vorgenommen wird.

Sie haben das Recht, Ihre benötigten Mobilitäts- und Hilfsmittel mitzubringen, wichtige Informationen in zugänglichen Formaten zu erhalten und mit Ihrem Blindenführhund an Bord zu reisen. Sollten Ihre Mobilitäts- oder Hilfsmittel während der Reise verloren gehen oder beschädigt werden, haben Sie nach nationalem, EU- und internationalem Recht Anspruch auf Entschädigung.

Die Fluggesellschaften behalten sich vor, Menschen mit Behinderungen die Beförderung oder angeforderte Hilfeleistungen zu verweigern, um evtl. geltende, gesetzlich festgelegte Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, jedoch müssen stets angemessene Anstrengungen unternommen werden, um ihnen eine akzeptable Alternative anzubieten. Die Fluggesellschaft kann auch verlangen, dass die Person von jemandem begleitet wird, der in der Lage ist, zur Erfüllung dieser Sicherheitsanforderungen Hilfe zu leisten. In jeder dieser Situationen muss der Betroffene unverzüglich über die Gründe informiert werden. Diese Sicherheitsgründe müssen in barrierefreien Formaten öffentlich zugänglich sein. Jede Verweigerung der Hilfeleistung oder Beförderung sollte eindeutig auf einen in der Verordnung enthaltenen Grund gestützt werden. FmB, denen die Beförderung aus diesen Gründen verweigert wurde, haben gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung.

Alle Mitarbeiter, die direkt mit Reisenden zu tun haben, müssen eine entsprechende Schulung erhalten, einschließlich Schulungen zur Sensibilisierung für Behinderungen und über die Gleichstellung von Behinderten.

Besonders wichtig für Sehbehinderte

Folgende drei Punkte verdienen besondere Aufmerksamkeit:

Die Verordnung sieht vor, dass Flughäfen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten Ankunftsorte bestimmen müssen, an denen behinderte Personen ihre Ankunft auf dem Flughafen problemlos melden und um Hilfe bitten können. Diese Punkte sollten sich mindestens an den Haupteingängen der Abfertigungsgebäude, in Bereichen mit Abfertigungsschaltern, in Bahn-, S-Bahn-, U-Bahn- und Busbahnhöfen, an Taxiständen und anderen Haltepunkten sowie auf Flughafenparkplätzen befinden. Gegenüber der Situation an den meisten Flughäfen innerhalb der EU ist dies ein großer Fortschritt, da die Hilfe früher vom Check-in aus geleistet wurde.

Wie die Europäische Kommission in ihren Leitlinien (siehe unten) klargestellt hat, kann eine Fluggesellschaft die Begleitung von FmB nur dann ausdrücklich verlangen, wenn sie nicht selbstständig genug sind, d.h. intensiver oder spezieller Hilfen bedürfen. Dies trifft normalerweise nicht auf Blinde oder Sehbehinderte zu, aber es ist ein Aspekt, der besonders beachtet werden sollte.

"Anerkannte Assistenzhunde" werden ohne zusätzliche Kosten an Bord in der Kabine untergebracht, sofern sie der Fluggesellschaft, dem Vermittler oder Reiseveranstalter so schnell wie möglich vor Reiseantritt gemeldet werden. Der Artikel der EGDF in diesem Newsletter befasst sich eingehend mit diesem Thema.

Klarheit durch Leitlinien

Im Jahr 2012 veröffentlichte die Europäische Kommission Leitlinien zur Auslegung der Verordnung, um einige praktische Probleme und Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen. Diese behandeln u.a. folgende Fragen:

Ist es zulässig, von FmB einen Nachweis über ihren Gesundheitszustand als Voraussetzung für den Verkauf einer Fahrkarte oder zur Genehmigung einer Beförderung zu verlangen? Nein. Die Verordnung verpflichtet sie nicht dazu, einen Nachweis ihrer Behinderung oder eingeschränkten Mobilität (ob medizinisch oder anderweitig) zu erbringen, um die beantragte Hilfeleistung zu rechtfertigen. Den Beförderern ist es daher nicht gestattet, einen solchen Nachweis zu verlangen. In Situationen, in denen der Gesundheitszustand eines Fluggastes so beschaffen ist, dass begründete Zweifel daran bestehen, ob er den Flug ohne Hilfe im Flugzeug sicher durchführen kann, darf eine Fluggesellschaft jedoch beurteilen, ob er flugtauglich ist und Informationen zur Unterstützung dieser Beurteilung anfordern. Nur wenn ein Hilfsanbieter einen offensichtlichen Missbrauch feststellt, können weitergehende Untersuchungen durchgeführt werden.

Welche Maßnahmen sind Seitens der Anbieter von Hilfeleistungen erforderlich, wenn FmB ihre spezifischen Bedürfnisse nicht vor der Reise anmelden? Anbieter von Hilfeleistungen können vorgemeldeten FmB Vorrang einräumen, aber sie müssen in jedem Fall sämtliche angemessenen Anstrengungen unternehmen, um allen Passagieren zu helfen und eine proaktive Rolle bei der Erfüllung ihrer Bedürfnisse übernehmen.

Umfasst die Unterstützung von FmB den Transport des Gepäcks von der Gepäckhalle zu einem bestimmten Punkt? Ja, wahrscheinlich. Der Begriff "angemessene Unterstützung" bedeutet, dass der Dienstleister die Unterstützung an die individuellen Bedürfnisse der FmB anpassen muss. Diese sollte verhältnismäßig sein und gleichzeitig behinderten Menschen und Menschen mit eingeschränkter Mobilität die Möglichkeit geben, sich auf dem Flughafen zu bewegen, um ihren Flug zu erreichen. Auf dieser Grundlage dürfen die Anbieter von Hilfeleistungen die Art ihrer Dienstleistung nach einer Einzelfallanalyse an jede Situation anpassen. Diese Klarstellung der Kommission wirft die Frage auf, ob es zulässig ist, blinde Menschen in einen Rollstuhl zu setzen, um sie innerhalb des Flughafens zu begleiten.

Durchsetzungs- und Beschwerdemaßnahmen

Wie in der Verordnung vorgesehen, haben die EU-Mitgliedstaaten Sanktionsregeln bei Verstößen gegen diese festgelegt und nationale Durchsetzungsstellen (NEB) benannt. Diese Stellen nehmen die Beschwerden von FmB entgegen, die von der Flughafenleitung oder der betreffenden Fluggesellschaft nicht zufriedenstellend gelöst wurden.

Die Leitlinien aus dem Jahr 2012 geben bezüglich Beschwerden folgende Klarstellung:

Eine Beschwerde kann einer für die Durchsetzung verantwortlichen NEB oder jeder beliebigen NEB vorgelegt werden, welche dazu verpflichtet ist, sie an die für die Durchsetzung verantwortliche NEB weiterzuleiten.

Bei Beschwerden im Zusammenhang mit Hilfeleistungen durch die Flughafenleitung ist die zuständige NEB diejenige des Mitgliedstaats, in dem dieser Flughafen liegt.

Für Beschwerden im Zusammenhang mit Hilfeleistungen durch Fluggesellschaften gilt:

  • Liegt der Abflugort in einem EU-Mitgliedstaat, ist die zuständige NEB diejenige des Mitgliedstaates.
  • Liegt der Abflugort außerhalb der EU und wird der Flug von einer in der EU zugelassenen Fluggesellschaft durchgeführt, ist die zuständige NEB diejenige im ersten EU-Mitgliedsstaat bei Ankunft.

Zusätzlich zu den oben genannten Punkten und unter Berücksichtigung des Territorialitätsprinzips, kann bei einem Zwischenfall während eines Fluges die NEB des Mitgliedstaates, die der Fluggesellschaft eine Betriebsgenehmigung erteilt hat, um Unterstützung bei der Lösung des Falles gebeten werden.

Um eine wirksame Anwendung der Verordnung zu gewährleisten, müssen die NEB zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen, damit die für die Untersuchung einer Beschwerde über einen bestimmten Beförderer zuständige NEB die für ihre Bearbeitung nötigen Informationen erhalten kann.

Rechtlicher Stand der Dinge

Die Europäische Kommission überarbeitet derzeit die Auslegungsleitlinien aus dem Jahr 2012. In diesem Zusammenhang hat die EBU einen Bericht über "Die häufigsten Probleme von Blinden und Sehbehinderten auf Flugreisen" (vorgelegt (mehr dazu im Artikel des DBSV in diesem Newsletter).

Die Europäische Kommission nimmt auch eine Evaluierung der Verordnung von 2006 selbst vor. Zweck der Evaluierung ist es, zu prüfen, ob die Verordnung gut funktioniert oder ob sie geändert werden muss.